Zurück

Dondorf’sche Druckerei

02.05.2023 - Meldungen

Am Beispiel des Dondorf’schen Druckereigebäudes lässt sich einmal mehr beobachten, wie hierzulande leider noch immer mit erhaltenswerter Bausubstanz umgegangen wird.

 

Auch wenn das Gebäude bisher nicht unter Denkmalschutz gestellt wurde, ist es mit seiner wechselvollen Geschichte ein identitätsstiftendes Bauwerk für den Stadtteil Bockenheim und darüber hinaus. Über 130 Jahre hinweg hat das Haus von der Druckmaschinenhalle bis zum Seminargebäude wechselnde Nutzungen aufgenommen. Vielfältige Zeitspuren von der Industriebaugeschichte des ausgehenden 19. Jahrhunderts bis zur Nachkriegsarchitektur mit ihren filigranen Fensterkonstruktionen bieten insbesondere für ein Institut, welches sich mit ästhetischen Fragestellungen beschäftigt, unmittelbares Anschauungsmaterial. Gerade im Kontrast zwischen Alt und Neu kann hier ein einzigartiges Ensemble an einem spannenden Ort entstehen.

 

Unter der Überschrift „Wenig Hoffnung für die Dondorf’sche Druckerei“ berichtet die FAZ über die aktuellen Abrisspläne. In dem Artikel heißt es bezüglich der Fassade, dass „70% der Substanz“ ausgetauscht werden müssen. Diese Formulierung ist missverständlich: Bei der Begutachtung der Fassade wurde festgestellt, dass 70% der Fassadenfläche überarbeitet werden müssen. Das ist ein wesentlicher Unterschied. In den meisten Fällen müssen bei Gebäudesanierungen 100% der Fassadenfläche überarbeitet werden. Diese Art der missverständlichen Berichterstattung hat ihre Ursache in der oftmals (bewusst?) missverständlichen Präsentation des Planungsstandes. Um die Sanierungsbedürftigkeit des Mauerwerks zu illustrieren, wurde beispielsweise ein 25 cm tiefer Bohrkern präsentiert, aus dem sich ein etwa bis zur Hälfte dieses Bohrkerns reichender Sanierungsbedarf der Lagerfugen ablesen lässt. Dass die Wände 50 bis 60 cm dick, die Schäden im Verhältnis zur Wandstärke hier also deutlich geringer sind, blieb unerwähnt.

 

Die seitens des Projektteams beschriebene Einsturzgefahr dieser Außenwände, ergibt sich dann, wenn man zuvor sämtliche Zwischendecken abbricht und nur die Wände stehenbleiben. Hohe Mauerwerkswände ohne horizontale Aussteifung fallen nunmal um. Nach allem, was dazu zu hören war, bin ich überzeugt: es ginge auch anders. Bei Erhalt der Zwischendecken und entsprechender Brandschutzertüchtigung (gängiges Verfahren bei Sanierungsprojekten) erübrigen sich aufwändige Stützkonstruktionen. So ist es momentan leider (noch) nicht geplant, was dann wiederum auch sehr hohe Kosten verursacht. Auch die Erwähnung einer erforderlichen Asbestsanierung erzeugte ein missverständliches Bild: diese ist in jedem Fall, also egal ob Abbruch oder Sanierung, erforderlich, da auch bei einem Komplettabbruch asbestbelastete Bauteile vorher ausgebaut werden müssen.

 

Entgegen dem vielfach bekundeten öffentlichen Interesse, für bestehende Gebäude, noch dazu von hoher architektonischer Qualität und nicht zuletzt auch aus Gründen klimagerechter Bauweisen, mit angemessenen Mitteln eine Weiternutzung zu ermöglichen, führen hier alle Gutachten scheinbar zwangsläufig zu einem Komplettabriss. Diese immer gleichen Phänomene hat die Bundesstiftung Baukultur im aktuellen Baukulturbericht 2022/23 „Neue Umbaukultur“ (https://www.bundesstiftung-baukultur.de/publikationen/pdf-zum-download/baukulturberichte) sehr treffend beschrieben, verbunden mit dem Appell, einen Paradigmenwechsel herbeizuführen und Umbau zum neuen Leitbild zu machen.

 

Gerade der öffentliche Bauherr muss hier dringend seiner Vorbildrolle gerecht werden und volkswirtschaftlich sinnvolle Projekte realisieren!

 

Bei allem Respekt vor der Arbeit der hier planenden Architekten und beteiligten Fachleute: überzeugt haben mich deren Argumente für einen Abriss nicht. Es bleibt zu hoffen, dass hier noch rechtzeitig ein Umdenken stattfindet.

 

Astrid Wuttke, Architektin BDA, Frankfurt am Main

News teilen:
vorherige News nächste News